Zero Waste

By | Mai 27, 2017

wirklich kein Müll? Kann man 2017 in einem Industrieland in einem Haus mit Familie und schulpflichtigen Kindern gut leben, ohne Müll zu produzieren? Und zwar nicht als Selbstversorger noch in Armut lebend, sondern genussvoll und leicht mit Zeit für Freunde und Reisen? Offenbar geht es schon, wie die zero-waste Aktivistin Bea Johnson am 2. Mai im Haus am Dom gezeigt hat. Sie hat schrittweise ihren Konsum- und Lebensstil so geändert, dass sie mit ihrer Familie fast keinen Müll mehr hinterlässt – ein Einweckglas (!) im Jahr mit ihrer vierköpfigen Familie. Würden Sie es auch schaffen? Bisher dachte ich, dass ich unter den gegebenen Umständen schon ziemlich ökologisch leben würde, doch obwohl ich weder Auto noch Fernseher habe und meine Haupteinkaufsquelle der Wochenmarkt ist, bleibt noch viel Luft nach oben besser gesagt nach unten in Richtung Null. Damit es im Alltag gelingt, folgt Bea Johnson 5 einfachen Prinzipien: vermeiden (refuse), reduzieren (reduce), wiederverwerten (recyle), reparieren (repair), kompostieren (rot).

Für sie ist Müllvermeiden der Schlüssel für Ihren Lebensstil, kein moralisches Arbeitsprogramm oder schlechtes Gewissen, weil man doch immer wieder an den unerreichbaren Zielen scheitert, sondern Freude am Ausprobieren und an dem, was man für sich Neues entdeckt. Ein neuer Lifestyle hat aber auch AusWirkungen – „buying is voting“. So etwas hat man schon mal bei Marktliberalen gehört. Für Bea Johnson ist ihr Lebensstil ein Signal an das Wirtschaftssystem. Wenn sie allein bleibt, dann dann wird sie von diesem ignoriert, schafft sie es aber andere anzustecken, dann wird eine Bewegung draus, die nicht mehr übersehen werden kann, weder von der Wirtschaft noch von der Politik. Eine solche Bewegung gibt es schon. In Frankfurt kamen binnen kurzer Zeit etwa 150 vornehmlich jüngere Leute zusammen, die schon auf einem guten Weg sind. Auf dem anschließenden Podium waren Vertreterinnen und Vertreter vom unverpackt-Laden grammgenau, von cradle to cradle, dem Nachhaltigkeitslernen, der Initiative „Berger Str. plastikfrei“, von carpefuturum, Lust auf besser Leben und dabei sind noch nicht einmal jene erwähnt, die im Publikum mit ihren eigenen Projekten saßen.

Entgegen dem Selbstbild der Deutschen liegen wir mit über 600 kg Müll pro Kopf im Jahr in der Spitzengruppe der größten Müllerzeuger in Europa. Die Mülltrennung, sofern sie funktioniert, dient zuweilen mehr dem guten Gewissen als der Umwelt. Entscheidend sind die Recyclingquoten, die mit dem neuen Verpackungsgesetz sollen die Quoten erhöht werden. Damit ein echtes Recycling, also die Rückgewinnung der Rohstoffe anstelle von Müllverbrennung, gelingen kann, braucht es zunächst ganz andere Produktionsweisen. Technisch ist es möglich, doch dazu wird eine Selbstverpflichtung und Selbstorganisation der Branchen wohl nicht ausreichen. Was die Industrie und der Handel nicht schafft, könnte aber von den Verbrauchern forciert werden und die Politik würde einen wichtigen Anstoß bekommen.

Aber weshalb sollten wir uns von Bea Johnson inspirieren lassen?

Bea Johnson regt uns an, darüber zu reflektieren und noch viel mehr auszuprobieren, was wir zu einem guten Leben, zu einem Leben in Fülle tatsächlich brauchen. So gefragt finden unsere materiellen Bedürfnisse schnell ihre Grenzen und wir nähern uns unseren tieferen Bedürfnissen wie Freundschaften pflegen, Zeit für die Familie, für das Reisen und wohl auch zum sozialen Engagement.

Ja und „wenn das alle Menschen so machen“, was wird dann aus unserer Wirtschaft, den Arbeitsplätzen und den sozialen Sicherungssystemen? Wirtschaft war schon immer in Veränderung, erst wenn sie sich nicht mehr anpassen kann, kommt es zum Niedergang. Auch unsere Vorstellung von Arbeit wird sich ändern und auch dies ist eine große Chance.

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