Wer Spitzenleistung erbringt, verdient auch ein Spitzengehalt, das klingt erst einmal logisch und nach Leistungsgerechtigkeit. Diese Logik lebt auch von dem Mythos eines Unternehmertums, welches durch „schöpferische Zerstörung“ (Josef Schumpeter) den Markt aufrüttelt und damit Quell der wirtschaftlichen Dynamik und des materiellen Wohlstandes ist. Vielleicht hat Schumpeter solche Unternehmer auch idealisiert, aber sicher dominieren sie nicht den Großteil der Wirtschaft. Es sind vielmehr die etablierten Großunternehmen, welche die Industriegesellschaft prägen. Ihre Wertschöpfung beruht auf einer extrem ausdifferenzierten Arbeitsteilung. Adam Smith, hat am Beispiel der Nadelherstellung die enorme Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Arbeitsteilung in klassischer Weise beschreiben und zwar noch ohne den Einsatz neuer Technologien und dem Einsatz von Maschinen (= Kapital).
Nun machen immer wieder absurd hohe Vergütungen Schlagzeilen. Gegenwärtig bei VW (Winterkorn, 17 Mio € Jahresverdienst in den Jahren vor dem Skandal, 3100 € Pension pro Tag, entspricht einem Barwert 28,6 Mio Euro) oder Abfindungen wie bei Rex Tillerson (180 Mio $). Die moralische Empörung folgt auf dem Fuß. Wodurch lassen sich aber derart hohe Vergütungen rechtfertigen? Kann man selbst bei talentierten und absolut integren Managern (Spitzenbürokraten) einen so hohen Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens irgendwie zuordnen? In guten Zeiten kann in einer gut organisierten Firma auch ein Depp erfolgreich sein, sofern er nicht in den gut geregelten Ablauf störend eingreift. In Krisenzeiten kann auch die talentierteste Managerin Verluste, Entlassungen und möglicherweise den Niedergang der Firma nicht verhindern. Ob Erfolg oder Misserfolg, die Entscheidungen dafür liegen oft so weit zurück, dass sie oft nicht dem aktuellen Management zugeschrieben werden können. Ähnlich ist es auch in der Wirtschaftspolitik, wo die gegenwärtigen Politiker sich mit Erfolgen schmücken, zu denen sie nichts beigetragen haben.
Wird Führung also überschätzt? Zwischen den Managergehältern in Japan, Europa und den USA klafft jeweils ein Lücke um den Faktor 10. Heißt dies, dass japanische Unternehmen schlechter geführt, weniger innovativ oder produktiv sind? – Sicher nicht, sonst hätte man nicht so viel Respekt vor ihnen und die Furcht, dass die eigenen Unternehmen nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber den japanischen wären. Kulturelle Argumente dürften vorgeschoben sein, wenn man nach dem Beitrag des Managements zur Wertschöpfung des Gesamtunternehmens fragt. Mit dem Legitimieren wird es also schwierig, vor allem weil eine extreme Einkommensspreizung gesellschaftlich destabilisierend wirken kann und auch den Grundlagen des Wirtschaftens abträglich sind. Glaubhafter ist dagegen schon die Erklärung, dass die nach wie vor gut vernetzten Aufsichtsräte sich sehr teure Manager mit Starimage holen, damit sie im Versagensfall immer sagen können, dass sie doch die besten der Top-Manager geholt haben, vergleichsweise im Fußball, wo die Gehälter mit dem Starstatus in astronomische Höhen schnellen.
Schon Max Weber analysierte die Tendenz der Großunternehmen, eine große Bürokratie auszubilden. Werden Spitzengehälter also einfach für Spitzenpositionen an sich gezahlt? Aber wer hat überhaupt die Möglichkeit, in eine solche Position zu kommen? Talent und hohe intellektuelle Fähigkeiten sind es nicht unbedingt, man denke nur an das erbärmliche Bild, welches Thomas Middelhoff bei Karstadt-Arcandor-Pleite abgegeben hat. Michael Hartmann, zuletzt erschien von ihm: „Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende“, zeigt vielmehr eine sich selbst reproduzierende Elite, die sich gegenseitig in Positionen bringt. Oder wie gut sind die Chancen für Frauen, Bildungsaufsteiger, talentierte Migranten oder alle Personen, die nicht über diese Netzwerke verfügen, in Top-Positionen zu kommen?
Neben den kritischen Anfragen an die Leistungen und Vergütungen des Spitzenpersonals in Großunternehmen, bleibt im Übrigen die volkswirtschaftlich alte und dennoch zentrale Frage der Verteilung des Gewinn zwischen den Arbeitnehmern (inkl. den leitenden) und den Kapitaleignern (meist Aktionäre).
Nun wird anlässlich aktueller Fälle exorbitanter Einkommen und Pensionen politisch über eine Begrenzung der Vorstandsgehälter diskutiert. Denkbar wäre einfach eine Obergrenze, wobei Horst Seehofer sich sicherlich über die eigenständige Karriere seines Begriffes wundern dürfte. In politischen Diskussion dominieren zwei Modelle: 1) Die Aktionäre sollen über Vorstandsgehälter entscheiden. Damit sind aber nicht die Interessen der Belegschaft vertreten, obwohl diese nicht weniger am Erfolg des Unternehmens beteiligt ist, s.o. Adam Smith. 2) Die Höhe der Vorstandsgehälter orientiert sich an den Löhnen der Belegschaft und ergibt sich aus einem Vielfachen eines Facharbeiters. Aber welcher Faktor ist leistungsgerecht und fair?
All diese Vorschläge verbleiben im Rahmen hierarchischer Modelle, die in der bisherigen Form der Vergangenheit verhaftet bleiben.
Dass es auch anders geht, zeigt Frederic Laloux in seinen Buch „Reinventing Organizations“, in welchem er die Struktur selbstorganisierter Unternehmen verschiedenster Branchen untersucht. Mit der Abschaffung hierarchischer Führung sind diese Unternehmen produktiver und die Mitarbeiter engagierter geworden. Auch die Frage nach dem Sinn der Arbeit in diesen Unternehmen ist hier kein Luxus, sondern Teil der strategischen Orientierung.